Aus "Die Welt" hier her kopiert
(Geschäftige Tonlage): “Porsche Zentrum XY, Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?”. Jetzt keinen Fehler machen. Den ahnungsfreien Mäusen am Empfang muss man mit simplen Worten erklären, was man möchte. (Ich, tiefe Cowboystimme): “Ersatzteile … (Kunstpause) … Ich brauche Ersatzteile.” (Flötende Tonlage): “Einen Moment!” Ich halte die Hörmuschel schnell zu. Denn jetzt ertönt Muzak, die im diametralen Gegensatz zu den Grundsätzen meiner musikalischen Erziehung steht. Richtig wäre doch jetzt was von Ennio Morricone.
Es dudelt. Doch gleich wird er den Hörer abnehmen: Herr M. vom Porsche Ersatzteilservice. Eine Ikone des Porsche-Teileverkaufs. Sechzig Kilo, ein Gesicht geformt von filterlosen Zigaretten, gekrönt durch einen bernsteinfarbenen “Schnorrek”, wie wir im Ruhrgebiet sagen. M. ist mein Mann für die Muffe. Der Guru der Gummidichtung. Der Bezwinger der Bremsbeläge. Und er kennt sie noch, die guten alten Porsche-Zeiten in den Siebzigern und Achtzigern. Ich hänge an seinen Lippen: “Die Zweiliter-Motoren haben wir damals massenweise weggeworfen oder auf 2.7 aufgebohrt”, tönt es an guten Tagen aus Richtung des erregt zitterndenden Schnorreks über die Theke. “Und die originalen Kotflügel lagen haufenweise auf dem Hof im Regen. Die haben wir durch Flachbau ersetzt – schöne breite. Hinten auf Turbolook. Und Porsche RS gab es beim Fähnchenhändler um die Ecke für ein Taschengeld. Die haben wir gefahren, bis sie durch waren und dann entsorgt.” Männerthemen. Ich wäre gern dabei gewesen damals. Eine Ernte 23 im Mundwinkel und eine Kiste Bier mit Plöppverschluss neben der Werkstatttür.
Eine weibliche Stimme reißt mich jäh aus den Erinnerungen von Herrn M.. (Geschäftige Tonlage): “Ersatzteilservice. Wie kann ich Ihnen helfen?”. (Ich, unsicher): “Äh. Ich hätte gern den Ersatzteilservice gesprochen.” (Amüsierte Stimme): “Am Apparat”. “Könnte ich Herrn M. sprechen?” “Nein, der hat heute Urlaub, wie kann ich Ihnen helfen?” Mir wird warm. So ein Thema kann ich doch nicht mit einem Mädchen besprechen. (Ich, tiefe Stimme, fordernd): “Könnte ich einen Herrn sprechen, der sich mit alten Elfern auskennt?” Kurze Stille am anderen Ende. (Sie, Feste Stimme): “Sie können mit mir sprechen, ich kenne mich aus!”
Der auf Porschethemen ausgelegte Teil meines Hirns zuckt nervös und schlägt flatternd von innen gegen meinen Schädel: “Na klar”, denke ich. “Woher willst Du Dich denn auskennen? Du kannst doch nicht mal eine Fuchsfelge von einem Christbaumstern unterscheiden. Als Du geboren wurdest, hatte ich schon keine Haare mehr auf dem Hinterkopf.” Ich sage daher: “Na gut. Ich brauche eine DICHTSTULPE für die Schaltstange vorn. Baujahr `65.”
Jetzt muss es kommen. Das devote Schweigen. Das unsichere Hüsteln. Das MitdenTastendesComputersklappern. Ich kenne Deine Antwort, Kind: “Das ist jetzt aber eine schwierige Frage, da müssen Sie auf Herrn M. warten!”
Tu mir den Gefallen.
Stattdessen höre ich ein kurzes Tastenklappern und einen Mausklick: (Fröhliche Stimme): “65er sagen Sie?. Ja – die passen von 65 – 71. Die späteren Baujahre hatten eine andere. Bestelle ich für Sie, ist morgen da. Was brauchen Sie außerdem?
Ich bin gelähmt. Das kleine Mädchen hat mir mit drei Sätzen meine vorletzte Männerdomäne pulverisiert UND mich meines Einkaufserlebnisses beraubt. Ich überlege kurz, wie ich aus der Sache rauskomme. Mein Schädel pocht und ich treffe die einzig mögliche Entscheidung: Ich lege auf.
Das war knapp. Ich falte den Domänenzettel vorsichtig zusammen, hole Luft und wähle die Telefonnummer einer freien Porsche-Werkstatt, die auch Teile verkauft. Der Eigentümer ist ein ganz alter Schrauber, der ´64 seine Werkstatt eröffnet hat. Er hat sich schon vor Jahren von seiner Frau getrennt. Sicher ist sicher.